Dienstag, Oktober 17, 2006

Wider jegliches Vergessen!

Wenn ich morgens müde und ein wenig mürrisch im Zug sitze und Jugendliche beobachte, wie sie sich begrüßen, bin ich jedes Mal erstaunt. Als hätten sie sich lange nicht mehr gesehen, erhält jede(r) Anwesende einen festen Händedruck. Damit nicht genug! Auch die Verabschiedung wird mit einem Handschlag zelebriert. Und am nächsten Morgen, wiederholt sich das Schauspiel von Neuem.
Ich bin fasziniert, wie konsequent diese jungen Menschen an ihrem immer wiederkehrenden, gleichen Begrüßungs- und Verabschiedungsritual festhalten, wo sie doch heute viel eher mit ständiger Veränderung, Erneuerung und Flexibilität konfrontiert werden und sich darauf einstellen müssen.
Wenn diese jungen Menschen sich freiwillig einem Ritual unterziehen, müssen Rituale einen besondere Bedeutung haben!
Wie ist es denn bei mir? Ich merke, ich bin kein besonders ritueller Mensch, aber spätestens an Weihnachten brechen bei mir Eigenarten aus, die sich jährlich um die gleiche Zeit wiederholen. Ich singe, wenn es sein muss auch alleine, alte verstaubte Weihnachtslieder. Ich lese immer wieder die Geschichte von Jesu Geburt und schreibe dazu eine eigene Geschichte, die ich am Weihnachtsabend meiner Familie vorlese. Ich stelle mit biblischen Erzählfiguren die Weihnachtsgeschichte nach, beleuchte die Wohnung mit Kerzen, backe Weihnachtsplätzchen, die wir gar nicht alle essen können, verzichte nie auf einen Adventskranz und zünde an jedem folgenden Sonntag voller Vorfreude eine Kerze an. Und ich bereite Geschenke vor, die ich am Weihnachtsabend an meine Lieben verteile.
Und warum mache ich das alles? Aus dem gleichen Motiv, wie die Jugendlichen. All diese familiären und religiösen Rituale helfen mir, nicht zu vergessen. In meinem Fall nicht zu vergessen, zu wem ich gehöre. Nicht zu vergessen, aus welcher Familie ich stamme, in der ebenfalls für Weihnachten gebacken, gebastelt, gesungen etc. wurde. Aber, und vor allem, nicht zu vergessen, dass ich zu Jesus gehöre, den ich besinge, der mir mit jeder entzündeten Kerze sagt, dass er mein Licht ist, auch für mich leuchtet, und der mich mit jedem Geschenk daran erinnert, wie reich ich von ihm beschenkt bin.
Für mich ist klar, sowohl ein Alltagsleben ohne Bräuche, auch wenn es sich nur um einen einfachen Handschlag handelt, als auch ein Weihnachten ohne Rituale ist für mich unvorstellbar. Sie lassen mich nicht vergessen, was wichtig und wesentlich ist für mein Leben. Sie schützen mich vor der Unordnung und helfen mir mich zu vergewissern, zu wem ich gehöre.
Und weil es für mich so unverzichtbar ist, ahne ich schon: bald wird es wieder beginnen, das Backen, das Singen, das Lichterfest in meiner Wohnung.........Doch bis dahin schaue ich auf meiner Zugfahrt weiterhin genüsslich zu, wie beherzt und unermüdlich die Jugendlichen ihre allmorgendlichen Begegnungsrituale feiern.

Mittwoch, Oktober 11, 2006

se bomb of nordkorea

Gestern hat mir jemand erzählt, dass sie im VHS-Kurs "englische Kommunikation" darüber gesprochen haben, was sie momentan bewegt. Und einer der Teilnehmenden sagte:" se bomb of nordkorea..." ich gebe zu, ich musste lachen, da ich natürlich die Aussprache wirklich nett fand. Dass es mich aber dann doch bewegte, hätte ich nicht gedacht. Oft lese ich die Zeitung, sehe Nachrichten und vergesse sie wieder. Sie gehen unter in meinem Alltagsgeschehen. Doch wenn solche Stichworte wieder fallen, dann erinnere ich mich, dass ich gerade vor einigen Tagen gelesen habe, wie verrückt Kim Jong Il, der Diktator Nordkoreas, ist.
Als "unberechenbar" wird er beschrieben, zwang seine zweite Ehefrau sich von ihrem Mann scheiden zu lassen, um ihn zu heiraten.... hat ständig Frauen um sich, die er einteilt in Tanzteams, Vergnügungsteams etc., lässt Gnade und Ungnade über die Menschen um ihn herum fallen, wie es ihm gerade gefällt (anscheinend hatte er mal seinen Frisör töten lassen, nachdem dieser es nicht hingebracht hatte, ihm seine berüchtigte Tolle zu föhnen) usw. Ja, da kann einem Angst werden, wenn Nordkorea eine Atombombe haben soll....denn, ein "unberechenbarer" Diktator ist nun mal nicht "berechenbar" und somit auch nicht verhandlungsbereit. Daher macht mir auch die Bombe weniger Sorgen, als vielmehr der Zünder, der dahintersteht und Macht über ihren Einsatz hat. Nicht, dass ich nur noch in Angst lebe und es dramatisieren möchte, aber ich möchte das Geschehen auch nicht bagatellisieren und wenigsten das eine mir möglich erscheinende tun: beten, auch wenn es mir sehr wenig dünkt. Naja, I will see..........

Sonntag, Oktober 08, 2006

Nach Sommer kommt Herbst

Die Überschrift mag für manche irritierend klingen, denn ist das nicht logisch?! Nicht für alle Länder. In Kolumbien gibt es zum Beispiel nur Sommer und Winter. Um ehrlich zu sein, wissen sie auch nicht richtig, was Winter ist, denn der besteht eigentlich eher aus der Regenzeit. So ticken, hat mir mal eine Kolumbianerin erklärt, die Südamerikaner auch anders als die Europäer, denn sie müssen keine Vorräte sammeln, sich keine Gedanken machen, ob sie warme Kleidung haben, wenn der Winter einbricht usw. Sie bestellen auch die Felder ganz anders, weil es ja keinen Frost und Schnee gibt. Und eben deshalb gibt es bei ihnen auch keinen Herbst.
Bei uns aber um so intensiver und deshalb waren Martin und ich heute lange unterwegs, um die letzten Sonnenstrahlen zu kosten, Herbstblumen, Pflanzen und was es sonst noch so gibt zu sammeln und sie in unserem Wohnzimmer wieder auszubreiten. Es scheint, als wolle der Herbst uns tatsächlich auf den Winter vorbereiten. Mit seinen bunten Blättern, den roten Hagebutten, den braunen Kastanien, Nüssen etc. blüht alles noch mal zu einem farbenprächtigen Spiel auf, bevor sich irgendwann leise und heimlich eine weiße Decke über die Landschaft legt.
Drum ist mir heute klar geworden, dass ich dem Herbst einen Blogeintrag widmen möchte, denn wie die meisten wissen, bin ich ja absolut dem Sommer angetan. Wie sich aber der Herbst Mühe gibt, mit aller Kraft die bunte Farbenpracht zu zeigen und die letzten warmen Strahlen zu senden, das hat mir heute doch imponiert. Gut, dass ich in Europa lebe!

Mittwoch, Oktober 04, 2006

Ereignisse und Amishe


Habe heute in der Badischen Zeitung einen dicken Artikel über den Amoklauf eines Schützen gelesen, der in Lancaster (USA) in einer Schule der Amish -People mindestens zwei Mädchen tötete. Nun, vielleicht denkt der eine oder die andere, Schießereien in USA-Schulen ist doch schon alltäglich, was muss man darüber einen Blog-eintrag machen? Stimmt schon! Aber das Verwunderliche an dem Artikel war, dass nur insgesamt ein Satz über den Mann drin stand, nämlich dass er dieser religiösen Gemeinschaft nicht angehörte, während 2/3tel des Berichts die LeserInnen über die Amishen aufklärte. Nun, was soll ich dazu sagen? Ist das nicht verrückt? Da gehen Bilder um die Welt von Männern in Hosenträgern, langen Bärten und Frauen mit Röcken und Hauben und schon denkt die Presse, die Weltbevölkerung müsste über diese Menschen aufgeklärt werden. Mag auch gut sein und es soll auch erwähnt sein, dass der Inhalt nicht negativer Art war. Aber leider wurde dabei vergessen, sich zu fragen, warum in USA so viel geschossen wird, was den Menschen dort eigentlich fehlt und wie es den Opfern jetzt geht, was und wieviel Betreuung sie erhielten etc. Eben all die Dinge, die sonst bei solchen Taten aufgegriffen werden.
Nun, mal sehen, wie das weitergeht oder ob das eine einmalige Geschichte bleibt. Ich hoffe, dass die Amishen, die ja trotz der amerikanischen Toleranz, wegen ihres Lebensstils, immer wieder schief angeschaut werden, nach diesem Skandal in Ruhe gelassen werden und jetzt nicht ein besonderer Run auf sie beginnt. Ja, das sei ihnen zu wünschen.