Dienstag, April 24, 2007

Über den Sch(m)erz und einen weiteren Engel

Nachdem einer meiner Freunde bemerkt hat, dass es um mich ruhig geworden ist, möchte ich mich doch mal wieder aus der Versenkung erheben.
Ich hätte nicht gedacht, dass man sich so sehr um sich selbst und seinen Schmerz kreisen kann. Aber es ist so!
Der Schmerz, so habe ich festgestellt ist wirklich ein böser Scherz!
Der Schmerz kann einen verfolgen, ganz gleichgültig, wie es dir dabei geht,
Er plagt und foltert und das Verrückte dabei finde ich, dass ich ihm nicht entfliehen kann.
Ich kann weinen, toben, umherlaufen, zürnen, aber er bleibt hartnäckig da!
Ich kann ihm nicht die Türe vor der Nase zuschlagen, weil er mir nicht passt.
Ich kann ihn auch nicht beschwichtigen indem ich ihm sage: "ja, es ist gut jetzt, ich habe verstanden, dass mit meinem Körper etwas nicht in Ordnung ist".
Und ich finde es unglaublich, was er für eine Macht über einen hat.
Er treibt einen vorwärts, raubt einem den Schlaf, lässt einen durch die Wohnung tigern und wieder erschöpft in die Kissen sinken.
Ich aber kann noch so auf der Hut sein, ich entkomme ihm nicht.
Ich kann ihn nicht in den Schlaf wiegen, kann ihn nicht dazu bewegen, sich ein anderes Opfer zu suchen.
Der Schmerz, für mich bist du ein Scherz, der sein Unwesen mit mir treibt!

Solche Gedanken kommen einem. Dabei habe ich nicht einmal eine riesen OP hinter mir, kein Krebs, keinen Unfall. Es ist schlicht und einfach eine entzündeter Weisheitszahn, der mich zu solchen Gedanken bringt und mich fragen lässt, was daran sinnvoll sein soll!
Natürlich am Wochenende hat mich der Weisheitszahn nicht mehr in Ruhe gelassen, die Zahnärtzin, die Notdienst hatte, dann auch nicht. Nach der Diagnose erhielt ich einen Jodstreifen zwischen Zahnfleisch und Zahn, für das sie das geschwollene Zahnfleisch aufschneiden musste.
Erster großer Schmerz- bin in Tränen ausgebrochen- sie hat nachbetäubt- dann wieder nach Hause- dort Martin vollgeheult- geduldiger, guter Mann!
Am Sonntag wieder zum Notdienst den Streifen wechseln. Erneuter Schmerz- dann am Montag zur Zahnärtzin, die meinte man müsse noch zuwarten. Heute wieder zu ihr, jetzt schickte sie mich zum Kieferchirurgen- Horrorszenarien vor meinen inneren Auge: ich werde während der OP kotzen. Ich werde sicherlich kollabieren, sie beugen sich alle über mich, die Sprechstundenhilfe, die Arzthelferin, der Chirurg, sie halten mir die Beine hoch, ich erhole mich nicht von meinem Schwindel. Ich werde verbluten. Er zieht mir den falschen Zahn. Er versenkt seine Zange in meinen Rachen und ich werde die Schmerzen bis ans Ende meiner Tage nicht mehr los. - Ok, ganz so extrem war es nicht, aber ich dachte wirklich an alle Komplikationen, die es so geben könnte.

Und jetzt muss ich sagen. Der Chirurg war wirklich ein Engel- Ok, ein menschlicher und einer, der damit Geld verdient, aber für mich wirklich richtig.
Super betäubt- ich habe nix gespürt und das, obwohl er den Zahn zersägen musste, um ihn rauszukriegen.
Wahnsinnig flink- schneller genäht als jede gute Näherin- ehrlich ich haber mir überlegt, ob er Doping genommen hat.
Viel geredet, um mich abzulenken- ich habe die Hälfte nicht verstanden, aus Angst und weil er so schnell geredet, wie gearbeitet hat.
Sehr einfühlsam gewesen- ok, er hat mir jetzt nicht die Hand gestreichelt (was mir auch gefallen hätte), aber gemerkt, dass ich Angst habe!
In 10 Minuten fertig gewesen!
Jetzt bin ich Zuhause, die Schmerzen sind erträglich, glücklich, dass der Entzündungsherd getilgt ist und habe Quarkwickel an der Backe und ein Tuch um den Kopf gebunden. Ich sehe ein wenig aus wie ein Pilzkopf mit einem seitlich rausstehenden Geschwür. Bin zufrieden.

Schon komisch- wo Schmerz ist, scheint manchmal ein Engel nicht weit! Scheint wohl doch nicht alles bloß ein Scherz zu sein.